Buchvorstellung Bad Liebenwerda
o Kurzbericht Veranstaltung am 2. 2. 2019
Buchvorstellung
(Rainer Bauer): Erika und Richard Arlt. Zwei Leben für die DDR,
Bad Liebenwerda (Kreismuseum)
Die dritte Buchvorstellung fand im Rahmen des alljährlichen
Lichtmeßsymposiums im Kreismuseum Bad Liebenwerda statt, das 2019
dem 200 jährigen Geburtstag Theodor Fontanes gewidmet war.
Anders als bei den beiden vorhergehenden Veranstaltungen war es
dieses Mal ein Vortrag, weniger ein Gespräch.
Sieht man sich
die Methode Theodor Fontanes an ("an besonderen Wegmarken deren
Geschichte aus dem Vergessen befreien") gibt es viele Bezüge zu dem
Buch 'Zwei Leben in der DDR':
Etwa zum Vorgehen Erika Arlts: für sie waren der jüdische
Friedhof, seine Grabstellen, die Wegstrecke des Verlorenen
Transports mit seinen vielen Einzelgräbern Orte, an denen sie
einhalten mußte, um nach Quellen zu suchen, um Zeitzeugen zu
befragen, wollte sie die hinter ihnen verborgene und bislang
vergessene Geschichte herausfinden. Wie Fontane hinter den
Zisterzienserklöstern in Chorin oder Lehnin die Kolonisierung der
frühen christlichen Glaubenskriege ‚entdeckte’, so entdeckten die
Arlts das Austauschlager von Bergen-Belsen und das damit verbundene
perfide faschistische Kalkül, aus den jüdischen Gefangenen und ihrem
Elend Profit zu schlagen, immer bereit, über Leichen zugehen.
Auch beim Verfassen von ‚Zwei Leben für die DDR’ selbst war es
ähnlich: die Geschichte der jüdischen Familie Hirschberg in
Hohenmölsen, ein Wohnort Erika Arlts, in ihrer Biographie nur
gestreift, birgt mit dem verschwundenen Kaufhaus der Familie einen
von vielen Enteignungsfällen in der Nazizeit, und auch des
fortgesetzten Unrechts in der Nachwendezeit.
Ausführlich wurde im Vortrag die sogenannte Schipchenbahn vorgstellt,
über deren Gleise von Senftenberg bis Doberlug der Verlorene
Transport 1945 sich fortbewegte. Vom Massengrab mit 48 Toten zeugt
heute eine Gedenkstätte in Schipkau, aber auch ein Grab mit 24 Toten
auf dem Friedhof Schipkau. An der Zugtrasse findet man verlassene
Bahnhöfe, überwucherte Geleise, romantische Brücken, aber auch das
ehemalige Verwaltungsgebäude des Braunkohlebetriebs Heye & Co, eben
jenes Friedrich Heye, der 1901, als die Arbeiter seiner Glasfabrik
in Obernkirchen bessere Arbeitsbedingungen forderten und einen
Streik organisierten, einfach den ganzen Betrieb schloß und 650
Menschen im 3500 Menschen zählenden Obernkirchen auf die Straße
setzte. Heye hatte den aufkommenden Arbeiterorganisationen und dem
damit verbundenen Ende der alten patriarchalischen Alleinherrschaft
in den Industriebetrieben sichtlich den Krieg angesagt. Seine
Reaktion konnte diese Entwicklung nicht aufhalten, das gelang erst
mit dem Hitlerfaschismus und seiner Herrenmenschendiktatur. Auf
diesen wiederum war die DDR eine Antwort, sie wollte mit einer
Gesellschaft neuen Typs ein glückliches, friedliches Zusammenleben
der Menschen aufbauen. Und das wollten auch die Arlts.
In der anschliessenden Aussprache interessierten sich die
Besucher stärker für den Verlorenen Transport, wie viele Menschen
überlebten, wie es ihnen in Tröbitz erging und wie es die Rote Armee
schaffte, die zahlreichen Schwerkranken zu versorgen. Die Besucher
folgten dem Vortrag außerordentlich konzentriert und einige
bedankten sich dafür, daß in dem Buch die DDR und das Anliegen
vieler ihrer Bürger, die mutig und zielstrebig ihr Leben einem
wichtigen und guten Ziel widmeten, ernstgenommen werden, anders als
auf die häufig anzutreffende, fast schon gewohnheitsmäßig
diffamierende Art.