Buchvorstellung Finsterwalde
o Kurzbericht Veranstaltung am 4. 3. 2019
Buchvorstellung
(Rainer Bauer): Erika und Richard Arlt. Zwei Leben für die DDR,
Finsterwalde (Sängerstadtmuseum)
Die vierte Buchvorstellung stand unter dem Motto: „Zwei Leben
für die DDR – hat es sich gelohnt?“ und begann mit einem längeren
Zitat von Christoph Hein ('Warum für mich die DDR faszinierend
ist'), es folgte die Lesung zweier Stellen aus dem Buch: (S.91)
Richard Arlt berichtet von seinen Schwierigkeiten, bei seiner
Tätigkeit als Direktor der Braunkohlewerke Domsdorf das alte
Gedankengut der dort Arbeitenden zu verändern; (S.158) Erika Arlt
schreibt über ihre Erfahrungen nach der Wende, als Westbürger ihr
vorwarfen, sie habe 40 Jahre in einem Gefängnis gelebt und wie sie
darauf reagiert hat ('plötzlich hatte ich das Gefühl, sehr alleine
zu sein').
Es schloß sich eine lebhafte Diskussion an, vom
Referenten mit der Bitte eröffnet, die Zuhörer sollten jetzt die
Punkte nennen, für die sich aus ihrer Sicht ‚Zwei Leben für die DDR’
gelohnt haben könnten.
Es wurde gesagt,
- daß die Existenz
der sozialistischen Staaten Kriege verhinderte, es war 50 Jahre Ruhe
in Europa und daß diese Periode 1991 mit dem Krieg in Jugoslawien
endete,
- daß es gelungen sei, das Andenken an die Opfer zu
bewahren, daß der Faschismus und sein Gedankengut überwunden wurde,
weil Widerstandskämpfer an der Macht waren und in der DDR die Täter
bestraft wurden. Auf den Einwand, das alles sei von oben gesteuert
worden, zitierte der Referent
Erika Arlt: „Besser ein verordneter Antifaschismus als ein Staat mit
geduldeten Altnazis wie Globke in der Führungsebene“.
- daß es in
der DDR die Gleichheit von Mann und Frau gegeben habe, der
Frauenanteil an den Studierenden und in der Arbeitswelt war
historisch einmalig hoch, während in der BRD Frauen bis in die 70er
Jahre nicht voll geschäftsfähig waren.
Dann kam erst einmal
nichts mehr. Als der Referent die These aufstellte,
daß die DDR z.B. den Beweis
erbracht habe, daß Bildung kein genetisch bedingtes Privileg der
Reichen ist, entfaltete sich daran eine teilweise hitzige
Debatte. Teilnehmer führten an, daß es Benachteiligungen für
politisch Andersdenkende und für Christen gegeben habe. Der Referent
verteidigte seine These mit dem Hinweis, daß dies zwar
Benachteiligungen waren, aber keine aufgrund der sozialen
(einfachen) Herkunft, insofern nicht gegen die These spreche. Es
wurde eingewendet, für den ‚Mittelstand’ habe es keine
Chancengleichheit gegeben. Die Antwort war, daß jahrhundertelang das
Volk als bildungsunfähig
angesehen wurde und mit der französischen Revolution und
ihren Zielen Gleichheit,
Freiheit, Brüderlichkeit die Ziele für die nächsten Jahrhunderte
der Menschheitsgeschichte formuliert wurden und daß die DDR ein
Versuch, eine Lösungsalternative zu dem anderen Weg, der bekanntlich
in den zweiten Weltkrieg, in den Faschismus, zum Holocaust geführt
hat, darstelle.
Es wurde geäußert, daß der Versuch von außen
betrachtet (meinte den Referenten), wohl interessant sein könne,
aber anders bewertet würde, wenn man selbst das Versuchskaninchen
gewesen sei. Die Antwort war,
daß alle, die in der DDR gelebt haben, nicht nur Versuchskaninchen,
sondern auch handelnde Staatsbürger waren und daß man dieses Leben
nicht aus einer subjektiv-individuellen Perspektive („was habe ich
alles erlitten, was ist mir entgangen“) allein beurteilen (hat es
sich gelohnt?) könne, sondern nur, wenn man es vor dem
menschheitsgeschichtlich-gesellschaftlichen Hintergrund sehe. Die
Diskussion ging weiter:
Es wurde der Einwand
geäußert, daß erstens auch
schon vor der DDR das einfache Volk zur Schule gegangen sei, sich
außerdem jedes Leben lohne, egal, wofür man, oder wofür man sich
nicht eingesetzt habe. Eine andere Teilnehmerin erklärte, daß sie in
der BRD aufgrund der einfachen Herkunft ihrer Eltern in der BRD
nicht hätte studieren können, dafür habe das Geld gefehlt, daß das
aber in der DDR sehr wohl möglich war, wo sie dann als Lehrerin
gearbeitet hat.
Der Referent beschloß die Diskussion mit der
Aufforderung, man solle sich nicht an der in den Medien
praktizierten DDR-Delegitimierung beteiligen und stattdessen die
eigene Erfahrung mit der DDR als menschheitsgeschichtlich wichtigen
Versuch, eine andere Gesellschaft aufzubauen, in den Mittelpunkt
stellen, dabei gelte es, die positiven von den negativen Aspekten
sorgsam zu unterscheiden. Wenn aber, wie jetzt, in der öffentlichen
Debatte die negativen Aspekte 95% der Diskussion einnähmen, müsse
man in einer solchen Situation notwendigerweise seine
positiven persönlichen Erfahrungen in den Vordergrund stellen.
Das zu unterstützen, sei die Absicht dieser Veranstaltung gewesen
und werde auch das Leitmotiv
der zukünftig noch geplanten Veranstaltungen sein, z.B. der am 4.5.
mit Peter Sodann geplanten zum Thema ‚Meine Bücher -
Leseland DDR’ im Refektorium Doberlug.
Der
Museumsleiter schloß die Veranstaltung mit der Einschätzung, daß man
über das Für und Wider der DDR erst in einigen Jahrzehnten
entscheiden können werde und meinte, man solle sich deshalb besser
den heutigen Problemen zuwenden. Daß der Referent mit diesem Schluß
und mit dieser Aussage nicht einverstanden war, dürfte man seinem
Gesicht angesehen haben.