Die fünfte Buchvorstellung stand unter dem Motto: „Vom
antifaschistischen Engagement zur entpolitisierten
Erinnerungskultur“ und war eher ein Vortrag als eine Diskussion.
Anhand einiger Biographien von NS-Massenmördern, die die
SS-Einsatzgruppen in Polen leiteten und nach dem Krieg in der BRD
ein geruhsames Leben geführt haben während einige wenige in den
sozialistischen Ländern zum Tode verurteilt wurden (Stichwort '
Einsatzgruppen'
in Wikipedia). Bilder eines Besuchs in der ostpolnischen Stadt
Przemysl zeigen Spuren jüdischen Lebens, so eine Synagoge, die,
ungenutzt, dem Verfall preisgegeben wird und der jüdische Friedhof,
der davon zeugt, dass hier einmal 20.000 Juden lebten, deren
Geschichte bis in das 13. Jahrhundert zurückggeht.
Die
Geschichte von Celino Bleiweiss aus Przemysl, der mit seinen
Pflegeltern im Verlorenen Transport war und in Tröbitz gerettet
wurde, verbindet die Stadt mit unserer Region.
Richard Arlt und
seine Frau Erika waren nach '45 engagierte Antifaschisten, Richard
war Mitglied der VVN, die in der BRD verboten und später auch in der
DDR stillgelegt wurde.
Als 1974 eine Neubelebung kam, man
erinnerte sich in der DDR an die alten Kämpfer gegen den Faschismus
und forderte sie auf, Komitees der antifaschistischen
Widerstandskämpfer zu bilden, wurde Richard Arlt ihr Vorsitzender in
der Niederlausitz. Erika Arlt schrieb über deren Tätigkeit eine
(nicht veröffentlichte) Broschüre, zahlreiche Reden Richard Arlts
blieben indes unveröffentlicht.
(Lesung aus dem Kapitel 3, S.129
f.)
Auf der Internetseite
arlt-archiv.info ist das Komitee zu sehen, viele der Teilnehmer
sind heute leider unbekannt.
Das Attentat auf die Synagoge in
Halle ist ein Symptom dafür, dass die Shoah in Deutschland nicht
wirklich aufgearbeit ist. Das eine Lager meint, es sei jetzt lange
genug darüber gesprochen worden und man solle endlich wieder stolz
sein können, ein Deutscher zu sein (dabei kann es kein
Nationalbewußtsein geben, das den Mord an den Juden ausschließt,
alles andere wäre verlogen). Auf der anderen Seite ist das
unpolitische Erinnern in ritualisierten Gedenkveranstaltungen
getreten, meist werden noch nicht einmal die Täter benannt. Solange
in Deutschland der immense Verlust, den die Shoa für die
zivilsatorische Entwicklung in unserem Land bedeutet, nicht ins
Zentrum des Bewußtseins rückt, kann von einer Aufarbeitung nicht
gesprochen werden.
Das war es aber, was Erika und Richard Arlt
wollten, leider ist es nach der Wiedervereinigung nicht gelungen das
antifaschistische Enagement mit der grossen Chance der Begegnung mit
den Überlebenden des Verlorenen Transports zu verbinden. Erika Arlt
hat die politischen Passagen aus ihrem Buch und aus ihren Broschüren
gestrichen und stattdessen wichtige Kontakte, Freundschaften zu den
Überlebenden und ihren Angehörigen aufgebaut, die ihr für ihre
Dokumentation der Geschichte des Verlorenen Transports dankbar
waren.