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Richard und Erika Arlt - Zwei Leben für die DDR

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Verlorener Transport, Überlebende Kinder
Biographien von Überlebenden Kindern in alphab. Reihenfolge, auch externe Quellen, insb. spurenimvest.de. Zum Ansehen bitte anklicken

  

Biographien von überlebenden Kindern des Verlorenen Transports

Rudelsheim, Moses Simon Staatsangehörigkeit:Niederlande

  • geb.: 11.8.1943 in Amsterdam, Niederlande
  • als Sohn von
    o Hoffmann. Saartje, geb.14.11.1914 in Amsterdam, gest. 15.3.2004 in Amsterdam.
    o Michael Josef Rudelsheim, geboren am 11.1.1910 in Amsterdam, gestorben am 10.4.1945, in Bergen-Belsen (Beruf: Diamantenschleifer)

  • - Foto Simon Rudelsheim
    Simon Rudelsheim 2023
    • Familie:
    • Heiratet
      am
      24.12.1968 Judith Sarah,geb.Scholten (geb. am 26.05.1945 in Deventer, gest. am 28.12.2019 in Appeldoorn)
    • Kinder:
      o 06.04.1972 Amos, er arbeitet als Chemieingenieur

    • o 28.02.1975 Chaggai, der als Kinderphysiotherapeut  arbeitet

  • Beruf  Sozialarbeiter, arbeitet im Sozialamt, dort zuständig für die Behindertenfürsorge
  • 11.08.1943 Kurz vor der Internierung in Westerbork bringen Freunde die schwangere Saartje Rudelsheim, als Jüdin unerkannt, in ein Amsterdamer Krankenhaus, wo ihr erster und einziger Sohn geboren wird. Sie nennen ihn Simon, nach seinem Großvater Simon Hoffmann (1882-1936).

  • Foto Rudelsheim
    • Michael Rudelheim und Saartje Hoffmann heiraten am 19.11.1939

  • 12.08.1943 Gleich nach der Geburt versteckt sich die Mutter und ihr Neugeborenes bei Freunden in Haarlem, werden allerdings verraten, verhaftet und am 28.09.1943 in das Lager Westerbork gebracht, wo sie auf Vater Michael Rudelsheim treffen, der schon vorher in das Lager gekommen war.
  • Foto Rudelsheim
    Foto Rudelsheim

  • September 1943 Kurz nach der Ankunft in Westerbork rettet ihm seine Tante Henny (1919 – 2010, https://www.joodsamsterdam.nl/henny-rudelsheim/), die im Lager Westerbork als Krankenschwester arbeitete, das Leben. Von ihr gibt es einen Bericht, den Simon Rudelsheim in einem Vortrag zum 70. Jahrestag der Befreiung wiedergibt:

  • „Mein Neffe (damit meinte sie mich), drei Wochen alt, wurde in den Babysaal gebracht. Der kleine Junge war so krank, dass seine Eltern vom Transport zurückgestellt wurden.“ Bald kam eine ihrer Kolleginnen und sagte: ‚Dein Neffe ist so krank, er kann nichts schlucken. Das Kind muss ein Anti-Diphterie-Serum bekommen.‘ Es war Diphterie ausgebrochen und mein Hals war ganz zugeschwollen. Die Diphterie-Abteilung war am anderen Ende der Krankenbaracken. Aber meine Tante mochte nicht weggehen. Sie hatte Dienst. Eine Kollegin übernahm ihren Dienst. Meine Tante setzte ihre Krankenschwesterhaube auf und trug mich voller Angst weg, sie musste über das Lagergelände und versuchte, mich fest im Arm zu halten. Sie fiel fast hin, stolperte über das Pflaster. Doch da gingen die Lichter von den Wachtürmen an, wodurch sie wieder etwas sehen konnte. Endlich kam sie in der Diphterie-Abteilung an und sagte zu Ihrer Kollegin: ‚Du gibst dem Kind so viel Anti-Diphterie-Serum wie möglich, denn mein Neffe muss am Leben bleiben!‘ Die Kollegin antwortete, dass sie das nicht tun könne, worauf meine Tante antwortete: ‚Was ist daran nicht in Ordnung? Du gibst ihm einfach die Spritze.‘

    So konnte sie mein Leben retten.“ Aus dem polizeilichen Durchgangslager Westerbork wurden 107 000 Juden, Sinti und Roma, in deutsche Konzentrationslager deportiert. Ungefähr 5000 davon überlebten den Krieg.

  • Foto Rudelsheim
          Foto Rudelsheim
            Henny Rudelsheim

  • Da Simons Vater im Joodsche Rat (Jüdischen Rat) in der Verwaltung arbeite, gehörte er und seine Familie zu den für die Transporte nach Auschwitz gesperrten Personen, auch die Diphterie Krankheit Simons mag dabei eine Rolle gespielt haben.
  • 1.2.1944 Der gerade ein Jahr alte Simon und seine Eltern werden als sogenannte „Austauschjuden“ in das KZ Bergen-Belsen deportiert. Er wird mit seiner Mutter in den Frauenbaracken untergebracht. Saartje Rudelsheim muss nicht am allgemeinen Zählappell teilnehmen, da ihr Kind unter drei Jahre alt ist. Sie und die anderen Mütter werden in der Nähe ihrer Baracken oder ihres Bettes gezählt..
  • 10.4.1945 Simon und seine Mutter kommen in den sogenannten Verlorenen Transport, einem von drei Evakuierungszügen von Bergen-Belsen nach Theresienstadt. Sein Vater schafft es nicht in den Zug, er stirbt noch kurz vor der Abfahrt im KZ Bergen-Belsen.
  • 23.4.1945 Der Verlorene Transport wird von der Roten Armee befreit, die Wagentüren des Zuges werden geöffnet und die Insassen unter militärischem Schutz in den Häusern des Dorfes einquartiert.
  • Anfang Juni: 12 US-LKWs und 6 Ambulanzwagen transportieren die nicht mit Flecktyphus infizierten Überlebenden nach Leipzig, unter ihnen auch Simon Rudelsheim und seine Mutter Saartje. Eine volle Woche müssen sie in Leipzig warten, bis sie ein Zug vom Roten Kreuz über Aachen nach Valkenburg bringt. In Duisburg wird ein weiterer Halt nötig, weil die Notbrücke über den Rhein überlastet war. So kommen sie erst am 28. Juni 1945 in Maastricht an, werden offiziell registriert und danach in das Rote-Kreuz- Notkrankenhaus 4 v/h vom R in Maastricht aufgenommen.
  • 1.9.1946 Saartje heiratet erneut. Ihr Ehemann ist Salomon Ensel (27.8.1916 in Amsterdam - 21 September 1993, Amsterdam). Saartjes Gesundheitszustand war labil und sie konnte keine Arbeit aufnehmen. Simon blieb ihr einziges Kind, mit dessen Erziehung sie überforderte.
  • 30.6.1967 Simon schließt erfolgreich die Fachschule für Sozialarbeit (Academy of Social Work) ab
  • 1.12.1971 Abschluß (Universitätsdiplom) Studium in Erwachsenenbildung (Andragologie). Simon Rudelsheim leitet das Komitee für Behindertenhilfe in der Region Overjissel (Chairman Indication Committee care for disabled in de province of Overijssel).

  • Auf die Frage, ob die Religion, der jüdische Glaube für ihn wichtig war, antwortet Simon Rudelheim (am 30.5.2023 per email): „Das war eher eine Belastung“. - Und für Ihre Mutter? „Das weiß ich nicht, wir sprachen nicht über solche Dinge“. - Ihre Mutter starb 2004 im Alter von 89 Jahren, sprach sie mit Ihnen über die Shoa, die Zeit in Bergen-Belsen/Tröbitz? “Nein, das war streng tabu”. - Wo lebten Sie nach Ihrer Rückkehr? „Bis jetzt: Amsterdam, Delft, Groningen, Heino, Ommen, Hattem“. - Wenn möglich, wäre es hilfreich, wenn Sie noch etwas über Ihr Leben nach der Befreiung erzählen könnten: „Ich verheiratete mich am 24.12.1967 in Amsterdam mit Judith Sara Scholten (geb. 26.5.1945 in Deventer, gest. 28.12.2019). Wir bekamen zwei Jungs, Amos (6.4.1972) und Chaggai (28.2.1975). Wir ließen uns 2007 scheiden. Ich war in der Behindertenhilfe tätig ( Region Overjissel) und kümmerte mich darum, dass die Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen für geistig Behinderte verbessert wird

  • Quellen: